6. Geschlechtsspezifische Aspekte der Kognitionswissenschaft
(aus dem Forschungsbericht von Cristina Perincioli)
Einleitung
Mit
dem Wahrnehmungstestspiel "Weiblich, männlich und dazwischen"
versuchte ich Antworten zu finden auf die Fragen, die sich für mich
aus der Lektüre bisheriger Untersuchungen zur geschlechstspezifischer
Wahrnehmung ergeben hatten. Deshalb möchte ich hier vorab eine Übersicht
vermitteln zum augenblicklichen Wissensstand und der Diskussion in diesem
politisch umkämpften Forschungsgebiet.
»Im
Zuge der Gleichberechtigung galt es als schicklich und fortschrittlich,
darauf zu bestehen, die Geschlechter seien in ihren kognitiven Fähigkeiten
nur minimal verschieden und das auch nur aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen
während der kindlichen Entwicklung,« schreibt die kanadische
Wissenschaftlerin Doreen Kimura.
Viele
ForscherInnen und auch gerade Feministinnen haben sich im letzten Jahrzehnt
aber trotzdem der Untersuchung kognitiver Geschlechtsunterschiede gewidmet
und versucht, Ursachen dafür aufzuspüren.
Doreen
Kimura fasst die bisherigen Testergebnisse so zusammen: "Im Durchschnitt
haben Männer ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen.
Insbesondere lösen sie leichter Aufgaben, bei denen die Versuchsperson
einen Gegenstand in der Vorstellung drehen oder auf andere Weise handhaben
soll. Auch bei Tests, die mathematisches Schlußfolgern oder die Orientierung
über einen Weg verlangen, sind sie Frauen überlegen. (..) Frauen
können dafür schneller zusammenpassende Objekte erkennen, haben
gleichsam eine höhere Wahrnehmungsgeschwindigkeit. Sie verfügen
über höhere verbale Gewandtheit (Wortflüssigkeit); so können
sie unter anderem eher Wörter finden, die einer bestimmten Bedingung
genügen (Beginn mit gleichem Buchstaben oder Synonyme). Auch sind sie
den Männern bei Rechenaufgaben überlegen sowie beim Erinnern an
markante Punkte entlang eines Weges. Des weiteren erledigen sie bestimmte
manuelle Präzisionsaufgaben rascher; zum Beispiel das Einstecken von
Stiften in vorbezeichnete Löcher auf einem Brett."(Seite 104)
Bei
der Durchsicht mehrer Studien stellte ich fest, daß bei Aufgaben,
bei denen die Frauen im Vorteil sind, dieser relativ gering ist (verbale
Fähigkeiten, Perzeptionsgeschwindigkeit), und daß sich grössere
Unterschiede zu den Leistungen von Männern bei Aufgaben für das
räumliche Vorstellungsvermögen zeigen: der mentalen Rotation von
Gegenständen, Papierfaltetest, Wasserspiegeltest und Orientierung im
Raum.
Gesellschaftliche Ursachen
Ich
möchte hier nicht die Theorien referieren, die die Ursachen in geschlechtsspezifischer
Sozialisation sehen; sie haben uns über die letzten Jahrzehnte begleitet,
und die Erfolge in unserem Bemühen, Mädchen zu Berufen und Betätigungen
in männlich besetzten Domänen zu ermutigen und zu befähigen
sind gering (Ein Beispiel: die noch vor zehn Jahren starke Beteiligung von
Frauen am Informatikstudium ist heute ohne erkennbaren Grund auf ein Minimum
geschrumpft).
Inzwischen
haben wir auch festgestellt, daß Mädchen und Jungen und seien
sie noch so klein nach wie vor die für ihr Geschlecht typischen Spielzeuge
wählen; Versuche von problembewussten Eltern dem entgegenzusteuern,
werden von den Kindern in der Regel sehr negativ aufgenommen.
Andererseits
zeigen Biographien von Frauen, daß mancheine auch in repressiven Zeiten
in männlich besetzten Domänen (als Konstrukteurin, Chemikerin,
Physikerin, Fliegerin) Erstaunliches zu leisten vermochte. Studiert man
ihre Kindheitserinnerungen, zeigt sich oft, daß sie sich schon als
Mädchen wesentlich unternehmender zeigten als heutige Durchschnittsmädchen.
Muss man daraus schliessen, daß Mädchen und Frauen auch durch
bessere Förderung nur schwer dazu gebracht werden können, ihre
angestammte Rolle zu verlassen, es sei denn, der Antrieb dazu kommt von
ihnen selbst?
Physiologische Ursachen
Unterschiede
in der Bauweise männlicher und weiblicher Gehirne sind gefunden worden,
allerdings betreffen sie eigentlich nur die Grobstruktur: Die Verbindungsstränge
(Corpus callosum und vordere Kommissur) zwischen rechter und linker Gehirnhälfte
sind bei Frauen anders strukturiert und vor allem dicker; daraus hatte man
gefolgert, daß Frauen weniger lateralisiert (auf jeweils nur eine
Gehirnhälfte beschränkt), also vernetzter, ganzheitlicher denken.
Tatsächlich konnte man beobachten, daß bei Frauen und Männer
unterschiedliche Gehirnregionen aktiv sind bei gleichen Aufgaben. Man kann
daraus schliessen, daß es nicht nur Unterschiede in der Grobstruktur
gibt, sondern daß Männer und Frauengehirne auch in der Feinstruktur
anders verschaltet sind. Die Forschung steht hier noch ganz am Anfang und
wir werden noch eine Weile auf Antworten warten müssen.
Dagegen
kann die Hormonforschung schon seit einigen Jahren mit interessanten Beobachtungen
aufwarten. Es sind fast ausschliesslich Frauen, die in diesem Gebiet nach
Antworten suchen zu Ursache und Ausmass geschlechtsspezifischer Kognition
und Wahrnehmung.
Literaturüberblick
Testosteron und räumliche Wahrnehmung
Eine
der auffälligsten Korrelationen beobachtete Doreen Kimura zwischen
dem männlichen Sexualhormon Testosteron und räumlicher Wahrnehmung.
Männer haben im Durchschnitt einen etwa doppelt so hohen T Spiegel
wie Frauen (vor der Pubertät ist der Unterschied geringer). Für
Frauen gilt: je höher der TSpiegel, desto besser ist ihre Leistung
bei räumlichen Aufgaben. Bei Männern ist es umgekehrt: je niedriger
ihr TSpiegel, desto bessere Leistungen. Der für alle ideale Wert liegt
im unteren Bereich von jenem für Männer.
Marianne
Hassler untersuchte an der Universität Tübingen 117 Erwachsene
und 120 Jugendliche über die Dauer von 8 Jahren. Sie untersuchte den
Zusammenhang von Testosteron und kreativer musikalischer Begabung. U.a.
ging es darum, herauszufinden warum männliche Jugendliche mit der Pubertät
ihre hohe Begabung für musikalische Komposition plötzlich verlieren
und Mädchen nicht. Die Jungen verlieren das Interesse zum Zeitpunkt
der pubertären TestosteronSchwemme
.
Grafik nach: Marianne Hassler, "Creative Musical Behavior and Sex Hormones:
Musical Talent and Spatial Ability in the two Sexes", in Psychoneuroendocrinology,
Vol 17, No1, s.55 70, 1992.
Marianne
Hassler stellte fest, daß Musiker einen überdurchschnittlichen
TWert zeigen, Komponisten aber einen besonders niedrigen. Weibliche Komponistinnen
verfügen über einen bei Frauen selten hohen TSpiegel. Bei der
Begabung zur musikalischen Komposition zeigt sich also auch jener imaginäre
Idealwert, der zwischen jenen von Männern und von Frauen liegt. Es
wundert nicht, daß männliche und weibliche Komponisten gleichzeitig
auch über ein hervorragendes räumliches Vorstellungsvermögen
verfügen .
Bei
Experimenten mit Ratten hatte man beobachtet, daß Testosterongaben
das Wachstum der rechten Gehirnhälfte fördern; die Vermutung liegt
nahe, daß Testosteron auch beim erwachsenen Gehirn die Arbeit dieser
Gehirnhälfte, in welcher bekanntlich die Aufgaben des räumlichen
Denkens bearbeitet werden, unterstützt . Dies konnte man an 22 Frauen
beobachten, die sich für einer Geschlechtsumwandlung zum Mann entschieden
hatten. Man testete ihre Wahrnehmungsfähigkeiten vor und drei Monate
nach Beginn der Behandlung mit männlichen Sexualhormonen. Ihre Fähigkeit
zur räumlichen Wahrnehmung steigerte sich innerhalb dieser kurzen Zeit
von 87 auf 103,8 Punkte. Ebenso dramatisch verlief die Entwicklung bei den
als eher weiblich angesehenen verbalen Fähigkeiten, sie verschlechterten
sich um einen Drittel .
Nun
lag es nahe zu untersuchen, ob Frauen im Laufe ihres Zyklus, bei dem sie
ja starken Hormonschwankungen unterliegen, unterschiedliche Leistungen zeigen:
in den Tagen vor dem Eisprung, während einer ÖstradiolSchwemme,
waren sie besonders gut in Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Handfertigkeit und
bei verbalen Tests, jenen Fähigkeiten also, in denen in der Regel Frauen
besser abschneiden. Optischräumliche Aufgaben dagegen lösten sie
am besten während der Menstruation, bei minimalem Östradioleinfluß.
Auch
Männer sind Schwankungen des Testosteronspiegels ausgesetzt; eine davon
ist saisonal: im Frühjahr ist der TSpiegel geringer, im Herbst höher.
Entsprechend fallen ihre Testergebnisse für räumliche Aufgaben
im Frühjahr besser aus.
Weitere Beobachtungen zum TestosteronSpiegel
Bei
den täglichen TSchwankungen wirkt sich ein erhöhter Testosteronspiegel
für Männer eher negativ aus: er korreliert mit depressiven Stimmungen,
Feindseligkeit und nervöser Motorik. Stimmung und körperliches
Wohlbefinden verbessern sich jeweils bei einem Anstieg des "weiblichen"
LH.
Ob
jene Kinder, die an Hyperaktivität leiden in der Regel sind es Jungen
wohl an einem Übermass an Testosteron leiden? Das Krankheitsbild verschwindet
nämlich mit der Pubertät, einer Zeit, in der der Körper mit
einem hohen Testosteronspiegel umgehen kann.
Der
Testosteronspiegel kann bei Erfolgserlebnissen plötzlich ansteigen.
Man hatte beobachtet, daß der TestosteronSpiegel in Primatenmännchen
bei Statuswechsel entsprechend der Statusveränderung steigt und fällt.
Daraufhin testete man Tennisspieler: bei entscheidenden Siegen reagierte
ihr TSpiegel ebenfalls entsprechend, nicht aber bei knappen Siegen ohne
klaren Triumph. Keine Veränderung zeigten Beteiligte eines Tests, bei
dem sie durch Zufall 100 Dollar gewonnen hatten. Ganz im Gegensatz zu jenen
Studenten, die gerade ihr Staatsexamen bestanden hatten; bei ihnen hielt
der hohe TSpiegel noch zwei Tage an.
Pränatale Hormoneinflüsse
Vor
Jahren versuchte man gegen Frühgeburten durch Hormongaben vorzusorgen;
darunter waren Androgene, reines Östrogen und manchmal auch Mischungen.
Jeder Entwicklungsschritt eines Embryos wird von selbsterzeugten Hormonen
gesteuert. Die massiven Hormongaben zu unterschiedlichen Zeitpunkten in
der Schwangerschaft führten zu einer Reihe von Abweichungen im Bau
der Geschlechtsteile, in der sexuellen Orientierung und im Verhalten bei
den mittlerweile Erwachsenen.
Basierend
auf diesen Fällen und Studien zu den Folgen von anderen ungewöhnlichen
Hormonstörungen, Hormongaben oder Stress (s. Dörner) während
der Schwangerschaft, entwickelten Lee Ellis und M.Ashley Ames eine Theorie
der geschlechtsbezogenen Abweichungen, die folgende Logik enthüllt:
Im Embryo entwickeln sich zuerst die Keimdrüsen entsprechend dem XX
resp. XY Gen (bis zum 4. Monat): sie werden im Weiteren selbst die dem Geschlecht
entsprechenden Hormone erzeugen.
Im 3.4. Monat entwickeln sich jene Bereiche im Gehirn, die später für
die sexuelle Orientierung (in der Regel auf das entgegengestzte Geschlecht)
verantwortlich sind.
Vom 4.7. Monat bildet sich dann die neurologische Organisation, die das
geschlechtsspezifische Verhalten (und damit auch die Wahrnehmung) bestimmt.
Äussere Geschlechtsmerkmale
Wenn
in einer dieser Phase zuwenig, zuviel oder das entgegengesetzte Hormon zugeführt
wird, können sich Geschlechtsteile entwickeln, die nicht dem durch
die Chromosen vorgegebenen Geschlecht entsprechen oder abweichend aussehen
und meist umgehen operativ korrigiert werden. Unter den Sportlerinnen wurde
seit es Gentests gibt 1 von 500 disqualifiziert; sie verfügen über
alles was eine Frau ausmacht, nur nicht über das richtige XX Chromosom.
Auch Models seien so sagt man öfter genetisch Männer, die wegen
Androgenmangels weibliche Eigenschaften angenommen haben bis auf den eher
männlichen Knochenbau groß, langbeinig, schmalhüftig. Ursache
dafür kann eine "androgen Insensitivity" sein, die trotz
männlicher Gene einen weiblichen Körper entstehen lässt.
Bei
Mädchen, die wegen AGS (angeborene Nebennierenhyperplasie, engl. Congenital
adrenal hyperplasia, CAH) einem Übermaß an Testosteron ausgesetzt
waren, kann es zu männlich aussehenden Geschlechtsteilen kommen, die
aber innerlich weiblich sind. Diese werden nach der Geburt meist sofort
korrigiert und das Kind mit weiblichen Hormonen behandelt.
Bei
einer Behandlung der Schwangeren mit Progestin auf AndrogenBasis kam es
zu Deformationen an den äusseren Genitalien von Mädchen.
Sexuelle Orientierung
Kommt
der abweichende Hormoneinfluß (erst) in der nächsten Phase der
embryonalen Entwicklung zum Tragen, wirkt sich dieser auf die sexuelle Orientierung
aus. Denn in dieser Zeit entwickelt sich das hypothalamischlimbische System.
Hier
berufen sich Ellis und Ames auf den Ostberliner Wissenschaftler G.Dörner,
der die Theorie aufstellte, daß Homosexualität bei Männern
durch Androgenmangel zu diesem Zeitpunkt verursacht wird; dieser kann auftreten
bei Stress der Mutter (dabei werde Testosteron zu schnell auf einmal verbraucht
und fehle zum entscheidenen Zeitpunkt). So sollen in den Jahren 194146 in
Deutschland besonders viele Schwule geboren worden sein. Nachforschungen
bei den Müttern von 60 Homosexuellen ergab, daß 2/3 von ihnen
zur Zeit der Schwangerschaft unter höchstem Stress standen, bei den
40 befragten Müttern von Bisexuellen waren es 1/3 und bei den 100 Müttern
von heterosexuellen Männern lediglich 6%. Mädchen und Frauen,
die durch AGS, wärend ihrer ganzen embryonalen Entwicklung zu viel
Testosteron ausgesetzt waren, entwickelten eine vergleichsweise starke Tendenz
zur Homosexualität (bei Erwachsenen bis zu 44%).
Verhalten
Für meine Fragestellung ist allerdings die dritte Phase am interessantesten:
in der Zeit vom 4. bis 7. Monat bilden sich die Strukturen im Hirn, die
das Verhalten bestimmen.
Welchen Einfluss zeigen abweichende hormonale Verhältnisse? Die folgende
Zusammenstellung ergibt sich aus mehrere Untersuchungen an Jugendlichen
und Erwachsenen, deren Mütter während der Schwangerschaft mit
Hormonen behandelt worden waren oder an einer Hormonstörung litten.
Östrogen:
Jungen:
weniger rauflustig, eher nachdenklich, interessierten sich für Schriftstellerei
oder Soziales (DES).
Mädchen: sehr mädchenhaft, öfter lesbisch und bi; Frauen,
die heterosexuell wurden haben weniger Orgasmen und weniger Lust auf Sex
(DES).
Für
Mädchen wie Jungen gilt: wer ein Übermass an Östrogenen abbekommen
hatte, wirkt als Erwachsener weniger individualistisch und selbstgenügend,
dafür mehr gruppenorientiert und abhängig.
Entgegengesetzt
wirkte eine HormonMischung aus Androgen und Progesteron: jene Männer
und Frauen erscheinen unabhängiger, selbstsicherer, aggressiver und
individualistischer.
Androgen:
Jungen
wurden besonders aggressive Personen. Mädchen, die Progestin auf AndrogenBasis
erhielten, zeigten in einzelnen Fällen jungenhaftes Spielverhalten,
mehr Interesse an Karriere als an Mutterschaft und Familie und grosses Selbstbewusstsein.
Mädchen,
die wegen AGS Enzymfehlern zuviel Testosteron ausgesetzt waren zeigten:
Spielverhalten wie Jungen, räumliches Vorstellungs vermögen fast
wie Jungen, bevorzugen Aktivitäten, bei denen Objekte bewegt werden.
Sie haben Spass am Raufen, bevorzugten Jungenspielzeug, Hosen vor Kleidern
und Karriere vor Familie.
Zwillingsschwestern
von Brüdern bekommen einiges Testosteron von diesen ab; Ergebniss:
sie sind eher "sensation seekers" als Zwillinge mit Schwester,
und in Rotationstests bringen sie mit etwas Übung gleich gute Ergebnisse
wie ihre Brüder.
Leider
haben June Machover Reinisch und die anderen Autoren nie nach dem Zeitpunkt
der jeweiligen Hormonbehandlung gefragt. Die Theorie von Lee Ellis und M.
Ashley Ames (von 1987) scheint unbeachtet geblieben zu sein. Dabei könnte
sie helfen, die den Berichterstattern widersprüchlich erscheinenden
Beobachtungen zu erklären. Auch ganz alltägliche Fragen könnten
damit beantwortet werden. Zum Beispiel, warum Schwule oder Lesben kein einheitliches
Erscheinungsbild abgeben. Es gibt homosexuelle Männer, die äusserlich
und durch ihr Verhalten typisch männliche Eigenschaften zeigen, und
andere dagegen eher weibliche. Bei ersteren müsste (nach der Theorie
von Ellis und Ames) der jene Abweichung verursachende Hormoneinfluss nur
während dem 3. bis 4. Schwangerschaftsmonat gewirkt haben, also nur
in jenem Zeitraum, in dem sich Hypothalamus und lymbisches System ausbilden.
Bei den Tunten hätte besagter Hormoneinfluss weitergewirkt und dann
auch ihr Verhalten bestimmt.
Doch
nicht nur die "Abweichungen" innerhalb homosexueller "Norm"
finden hier ihren Platz und ihre Erklärung, auch alle anderen heterosexuellen
Spielarten vom überaggressiven Jungen bis zum schmalbrüstigen
Germanisten, von der Sprinterin, die in Netzstrümpfen startete bis
zu Birgit Breuel könnte man ansehen als Repräsentanten einer ganz
bestimmten Abfolgen von Hormoneinflüssen.
Nimmt
man die vier Variablen: Geschlecht, körperliche Erscheinung, sexuelle
Orientierung und geschlechsspezifisches Verhalten, gibt es dann nicht theoretisch
zwei hoch vier Variationen? Also reichlich Platz für alle?
Wahrnehmungsleistungen homosexueller Menschen
Diese
offenere Betrachtungsweise könnten auch jene Forschungsergebnisse erklären,
die nicht den landläufigen Erwartungen entsprechen: Brian A. Gladue
verglich die Leistungen im räumlichen Vorstellungsvermögen von
Lesben und heterosexuellen Frauen. Bei räumlichen Aufgaben waren die
Lesben nicht etwa besser, sondern gleich schlecht wie die Heterofrauen und
beim Wasserspiegeltest sogar noch schlechter. Die Lesben dieses Tests dachten
also keineswegs männlicher.
Übrigens,
auch bei Tests zur Aggressionsbereitsschaft fand Gladue keinen Unterschied
zwischen hetero und homosexuellen Männern, wogegen Lesben sich physisch
weniger aggressiv zeigten als heterosexuellen Frauen.
Auch
Wahrnehmungstests mit homosexuellen Männern zeigten widersprüchliche
Resultate: Beim Wasserspiegeltest schnitten die homosexuellen Männer
so schlecht ab wie heterosexuelle Frauen.
Bei
Tests zum räumlichen Vorstellungsvermögen und mechanischer Logik
lagen ihre Ergebnisse zwischen jenen von Männern und von heterosexuellen
Frauen, bei einem späteren Test (vermutlich mit anderer Besetzung)
zeigten sich wiederum kein Unterschied zwischen den Wahrnehmungsleistungen
homosexueller und heterosexueller Männer. Testete man aber jene Frauen,
die auf Grund von AGS während der ganzen Entwicklungszeit grossen Mengen
an Testosteron ausgesetzt waren, zeigte sie Wahrnehmungsleistungen, die
jenen von Männern glichen.
Wie
zu Beginn berichtet, gibt es deutliche Unterschiede zwischen der räumlichen
Wahrnehmungsleistung von Frauen und Männern. Die widersprüchlichen
Ergebnisse bei homosexuellen Menschen zeigen, daß deren sexuelle Orientierung
nicht notwendigerweise auch ihr Verhalten bestimmt.
TSpiegel und LHReaktionen bei homosexuellen Menschen
Wenn
es richtig ist, daß Wahrnehmungsleistungen mit Hormonspiegeln korrelieren,
müssten bei homosexuellen Menschen die Hormonspiegel ebenfalls uneinheitlich
ausfallen. Bisherige Untersuchungsergebnisse ergeben folgendes Bild:
Der
Testosteron-Spiegel von homosexuellen Männern unterscheidet sich nicht
von jenem heterosexueller; bei beiden Gruppen differtiert er stark.
Lesben zeigen eine stärkere LHReaktion auf Östradiol-injektionen
als heterosexuelle Frauen, Männer eine niedrigere. Lesben tendieren
also keineswegs automatisch in männliche Richtung.
Zehn
Jahre zuvor hatte Gladue bereits festgestellt, daß bei solchen LHTests
mit homosexuellen Männern eine Hälfte ähnlich wie Frauen
reagierte, etwas was bei HeteroMännern nicht vorkomme (Ellis und Ames,
S.251). Hier würde man gerne erfahren, ob jene eine Hälfte der
Testpersonen sich auch sonst durch eher weibliches Verhalten auszeichnete.
Fazit
Deshalb
interessierte es mich, mit homosexuellen Menschen Tests durchzuführen,
die nach ihrem männlichem oder weiblichen Rollenverständnis gefragt
würden und zu schauen, ob dann die Resultate dieser Gruppen homogener
ausfallen.